Übersicht
Einführung
Ob Du selbst Empath (ich verwende analog hochsensibel) bist oder in einer Freundschaft/Beziehung mit einem Empathen zusammen bist – es gibt einige Dinge, die Du generell wissen solltest. Der nachfolgende Artikel basiert einerseits auf Erfahrungen im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit, andererseits auf eigenen Erlebnissen mit Hochsensibilität. Hier durfte ich vor allem bzgl. der Beziehungsdynamik mit anderen Menschen schon einiges lernen. Ich verwende die Begriffe Empath und Narzisst nicht in wertender Art und Weise, sondern beziehe mich auf diese Begriffe zur Beschreibung der Beziehungsdynamik und bestehender Tendenzen. Auch ein Empath kann in sich narzisstische Anteile haben. Denn grundsätzlich ist immer alles in uns allen.
Ein achtsamer Umgang mit diesen Begriffen ist sehr zu empfehlen. Sie können zwar hilfreich sein, um gewisse Eigenheiten, Charakteristika, eine Tendenz zu verstehen und einen Umgang damit zu finden. Doch Begriffe und eine Überidentifikation mit diesen können uns auch in unserer Entwicklung sabotieren. Hierzu habe ich einen Artikel geschrieben, den Du hier finden kannst:
Begriffe beschreiben niemals unsere multidimensionalen, menschlichen Facetten. Da ist noch so viel mehr! Daher sollten wir bei uns selbst und anderen Menschen darauf achten, dass wir uns nicht auf Begriffe reduzieren und diese idealisieren oder dämonisieren. Bei allen Erfahrungen, die wir mit den Masken, Mauern und Abwehrmechanismen, die andere Menschen verletzend in unser Leben bringen, dürfen wir uns dessen bewusst bleiben, dass in jedem Menschen (!) ein lebendiges Herz schlägt! Das sollten wir niemals vergessen.
Über diesen Artikel
Dieser Artikel bezieht sich auf die Kernmotive und das grundsätzliche Erleben von Empathen und soll zum Verständnis beitragen. Was hochsensible Menschen empfinden und dadurch bewirken können, ist ein kostbarer Schatz. Der Umgang mit dieser Besonderheit bringt häufig besondere Herausforderungen mit sich, deren Betrachtung mir lohnenswert erscheint.
11 Punkte für empathische Menschen
Die nachfolgenden Punkte geben Dir eine grobe Orientierung. Natürlich ist es vollkommen unwichtig, ob Du selbst unbedingt den Begriff brauchst. Ich selbst bin der Meinung, dass jeder Mensch diese Eigenschaften grundsätzlich aufweist. Sie können allerdings bei einigen Menschen verschüttet, blockiert oder unterdrückt sein oder – im Übermaß aktiviert durch entsprechende (traumatische) Erfahrungen. Wiederum kann es natürlich auch tendenzielle Unterschiede geben, die angelegt sind.
1. Starke Empfänglichkeit für die Gefühle Anderer
Auch wenn ich polarisierende Begriffe nicht mag, entdecke ich viele empathische Eigenschaften an mir. Früher (und auch heute) konnte (und kann) ich innerhalb von Millisekunden die Stimmung einer Situation einfangen. Als ich jünger war ging ich davon aus, dass alle Menschen das ebenso empfinden. Ob ein Streit in der Luft lag oder ein Elternteil „abwesend“ war – ich spürte das sofort und auch die dahinter befindlichen Gefühle. Nicht selten war ich damit überfordert. Bei dieser “Empfangsbereitschaft” handelt es sich nicht um ein Begreifen mit dem Verstand – der Empath „verschmilzt“ (manchmal ungesund) mit der Situation und den Gefühlen, die in ihr schwingen. Die Wissenschaftlerin Elaine N. Aron bringt dies in ihrem Buch “Sind sie hochsensibel?” mit einer bei Hochsensiblen (HSP) neuronal dichteren Vernetzung in Zusammenhang – wodurch ihrer Theorie nach Reizeingänge intensiver wahrgenommen und eben auch verarbeitet werden müssen. Ob das die ganze Wahrheit ist?
2. Menschlichkeit, Verzeihen & Mit-leiden
Aufgrund ihrer Fähigkeit zum Einfühlen verstehen Empathen intuitiv, dass verletzendes Verhalten Dritter oft selbst auf einer Verletzung beruht. Dadurch können sie Menschen schneller verzeihen und “entschuldigen” dadurch indirekt deren Verhalten. Im Grunde ist dies eine äußerst wertvolle Eigenschaft der Vergebung. Ein in zwischenmenschlichen Beziehungen häufig vorherrschender Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt kann so durchbrochen werden. Empathen leiden wirklich mit, wenn ein ihnen nahestehender Mensch leidet – weil sie so verbunden sind.
3. Bedingungslose Liebe & heilsame Anwesenheit
Oft ohne bewusstes Zutun der empathischen Menschen wirkt ihre bloße Anwesenheit heilsam auf Andere. Es liegt in ihrer Natur, automatisch und intuitiv zu spüren, was der andere in diesem Moment „braucht“. Durch die bedingungslose Akzeptanz, das Verständnis und die durch sie fließende Liebe geschieht es fast von selbst, dass sie bedingungslos geben. Tiefe Verbundenheit ist für sie gefühlte Realität, der andere wird als nicht getrennt von sich wahrgenommen (siehe Spiegelneuronen). Durch diese Verbundenheit spüren sie am eigenen Leib, im eigenen Energiesystem, was in der Situation hilfreich für den anderen ist und auch dessen Erleichterung und inneren Frieden, wenn dieser sich wortlos verstanden fühlt. In diesen Momenten erleben Empathen tiefe Dankbarkeit für ihr eigenes Sein und fühlen sich am richtigen Fleck.
4. Intensiveres Erleben & Reizüberflutung
Das Gefühl ständiger Verbundenheit kann auch anstrengend sein. Kontakt mit lauten, viel redenden und aggressiven Menschen kann den empathischen Menschen überfordern, erschöpfen und depressiv machen. Es sind eben alle Eindrücke, die er aufnimmt – Gerüche, Geräusche, Gefühle, taktile Empfindungen – aber auch die nicht sichtbare „energetische Ebene“ wird von ihm weitaus intensiver wahrgenommen. Strömt zu viel auf den empathischen Menschen ein, kann die Reizüberflutung eintreten, die Stress-Schleife starten. Hier kann massive Verwirrung entstehen. Innere Unruhe und auch körperliche Beschwerden (Kopfschmerzen, Übelkeit, Verspannungen) können die Folge sein. Wie diese Stress-Schleife verlassen werden kann, findest Du in diesem Artikel:
5. Bedeutung von Erdung, Regeneration, Reinigung & Schutz
Empathen spüren sich nur dann vollkommen selbst, wenn sie mit sich alleine sind, ihrem emotionalen und Nervensystem Zeit geben können, um aufgenommene Reize zu verarbeiten, sich von Energien Dritter zu reinigen (z.B. “Reiki for Empaths“), sich zu erden und aufzutanken.
In dieser Zeit können sie das sie umgebende Energiefeld selbst gestalten und Umstände schaffen, die sich heilsam auf sie auswirken. Atemübungen, Meditation, Spaziergänge in der Natur, Gebete, Rituale, Energiearbeit oder das liebevolle Zubereiten von Speisen können den empathischen Menschen wieder ins Gleichgewicht bringen. Da nach meiner Erfahrung die meisten Empathen einen natürlichen Zugang zur geistigen Welt und zum Göttlichen Ursprung haben, kann der Aufbau und die Pflege einer schützenden Aura hier sehr hilfreich sein (z.B. “Reiki for Aura Protection“). Mir selbst hilft auch immer ein Gebet, wo ich alles “abgeben” darf.
Für die Rückanbindung, Erdung, Reinigung brauchen empathische Menschen den Raum des Rückzugs und der Regeneration unbedingt!
Empathische Menschen können auch lernen, mit den Anforderungen um sie herum besser umzugehen und sich einem “Training” zu unterziehen.
Bei empathischen Menschen kann auch ein Entwicklungstrauma vorliegen, das durch eine “Fehlprogrammierung” die permanente Außenorientierung verstärkt und manchmal durch automatisches Verhalten sogar erzwingt. Wenn der empathische Mensch gefühlt keine Wahl hat, ist das ist eine sehr ungesunde Situation. Dami Charf hat mit Auch alte Wunden können heilen ein wunderbares Buch geschaffen, mit dem dieses Thema betrachtet und bearbeitet werden kann.
6. Spagat zwischen Selbstfürsorge & Fürsorge
Die in der Natur empathischer Menschen liegende Verbundenheit macht es ihnen oft schwer, „nein“ zu anderen zu sagen. Du findest hier ein Video zum Thema “Nein sagen”:
Empathische Menschen spüren automatisch das Bedürfnis des Anderen. Sie fühlen mit und spüren auch dessen Enttäuschung am eigenen Leib. Deswegen wiegt das Bedürfnis der anderen oft (mindestens) ebenso stark, wie die eigenen Bedürfnisse. Das ist auf Dauer nicht gerade gesund! Hier dürfen eigene Bedürfnisse mehr in den Vordergrund rücken.
Gerade zu Beginn vermengen sich diese Bedürfnisse sehr stark (siehe mein Video zu “Identifikation – Meins oder Deins?“), so dass der empathische Mensch vielleicht gar nicht so genau spüren kann, ob es nun das eigene Bedürfnis oder das des Anderen ist. Auch zur Unterscheidung zwischen Meins und Deins gibt es hier ein Video.
Mitunter kann es sein, dass das eigene Bedürfnis nach Regeneration und Selbstfürsorge vielleicht nicht so stark ist, wie das Bedürfnis des Anderen, gehört zu werden. Und genau diese energetische Entsprechung führt dazu, dass das Bedürfnis des Anderen “lauter” gespürt wird. Nicht selten führt das dazu, dass empathische Menschen sich mehr um andere, als um sich selbst kümmern und so mit der Zeit “ausbrennen”. Die dahinter liegenden Mechanismen und Antworten auf die Frage, wie man wahrhaft bei sich bleiben kann, habe ich in einem weiteren Video verarbeitet:
Empathische Menschen dürfen verstehen, dass sie ihre Bedürfnisse nicht “über Bande spielen” müssen, sondern direkt bei sich ansetzen dürfen.
7. Zögern, eigene Gefühle zu offenbaren
Mit ihrer erhöhten Sensibilität verstehen Empathen schon relativ früh, dass sie sich in mancher Hinsicht von anderen Menschen unterscheiden. Die existierenden gesellschaftlichen Strukturen bereiten ihnen aufgrund der darin ausgedrückten Werte (Ellbogenverhalten, Leistungsorientierung, Wettbewerb, “grober” Umgang) häufig Probleme. Sie verstehen die “Regeln des Spiels” zwar und akzeptieren diese auch, erleben aber in der täglichen Auseinandersetzung mit den auf sie einströmenden Reizen eine deutliche Beanspruchung.
Körperliche und seelische Erschöpfung, Rückzugswünsche treffen nicht selten auf Unverständnis oder invalidierende Bemerkungen: „Stell dich nicht so an!“ oder „Jetzt übertreibst du aber!“, “Sei doch kein Spielverderber!”.
Der empathische Mensch leidet an dieser Stelle, weil er selbst hier Verständnis hat und verbunden sein möchte – andererseits aber nicht aus seiner Haut kann.
Aufgrund der erhöhten Empfindsamkeit werden derartige Erfahrungen als sehr schmerzhaft erlebt – wobei der Empath auch hier wie selbstverständlich Verständnis für das Unverständnis seiner Mitmenschen aufbringt. Seinen Schmerz des Unverstandenseins macht er oft mit sich selbst aus, wobei in ihm eine tiefe Sehnsucht brennt, selbst verstanden zu werden.
Um diesen wiederholt schmerzhaften Erlebnissen von Unverständnis aus dem Weg zu gehen, zögert er, seine eigenen Gefühle zu offenbaren und lernt zunehmend, sein Innenleben zu schützen und mit sich selbst zufrieden zu sein.
Über die Zeit kann der Empath Gefahr laufen, sich zu isolieren oder nur zur Hälfte in Begegnungen anwesend zu sein und Teile von sich auszusparen. Zugrunde liegt die verheerende Überzeugung aufgrund der wahrgenommenen Unterschiede zu anderen Menschen, „falsch“ zu sein.
8. Extravertierte Schutzmaske
Da Empathen einerseits sehr viel spüren und wahrnehmen, andererseits aber vermehrt die Erfahrung von Unverständnis machen, versuchen sie sich manchmal durch den Aufbau einer Schutzmaske in der Welt zurechtzukommen. Sie orientieren sich an den „Regeln des Spiels“ und versuchen, sich im Umgang mit Anderen den Gegebenheiten anzupassen. Für den Empathen fühlt sich das einerseits gut an, weil er dadurch „besser funktioniert“ und weniger invalidierenden Kommentaren ausgesetzt ist. Andererseits erlebt er auch Gefühle von Entfremdung und Anstrengung, weil er seine eigene Sensibilität nach außen verleugnet.
In diesem “Schauspiel” ist er nicht im Kontakt mit seiner wahren Natur. Er ist nur teilweise da (s.o.). Manchmal erkennt man einen Empathen daher nicht direkt, weil er nach außen eher “stark” zu wirken versucht. Die Funktion dieses Verhaltens ist Schutz. Das Motiv: Der Empath ist im Grunde sensibel und übereinfühlend für alle Empfindungen anderer. Durch sein Verhalten versucht er auf sich konzentriert zu bleiben und nicht von auf ihn einströmenden Empfindungen abgelenkt zu werden.
9. Der empathische Mensch in Beziehungen
Wenn ein empathischer Mensch eine Liebesbeziehung eingeht, ist dies alleine schon eine große Herausforderung. Damit lässt er sich auf eine verbindlichere Beziehung ein, in der er Höhen und Tiefen wiederum sehr viel intensiver erlebt als andere Menschen. Der Spagat zwischen Selbst- und Fremdfürsorge ist hier noch viel ausgeprägter. Durch die (auch körperliche) Nähe wird es unbedingt erforderlich, dass der Empath immer wieder in die Klärung “Was ist meins?” und “was ist deins?” geht.
Häufig sind die Gefühle für den Empathen eingangs so überwältigend, dass er gezielt Zeit für sich einplanen muss, um wieder bei sich anzukommen, das Erlebte zu verarbeiten. Der Empath darf hier für sich selbst Verantwortung übernehmen lernen. In Beziehungen geht er oft durch einen langen Lernprozess.
Denn Beziehung bedeutet,
1. die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen,
2. diese nicht mit den Bedürfnissen des Partners zu verwechseln, sie
3. ernst zu nehmen und
4. dem geliebten Menschen mitzuteilen, dass die eigenen Bedürfnisse wichtig sind und sich
5. um diese zu kümmern und für sie einzusetzen.
Für den empathischen Menschen bedeutet das also auch, Grenzen zu setzen. Und hier verirren sich viele empathische Menschen zwischen Unterordnung und Überkompensation. D.h. sie grenzen sich entweder gar nicht ab oder beginnen irgendwann damit, es auf eine sehr brachiale Weise zu tun. Der nachfolgende Artikel kann hier eine Orientierung geben:
Abgrenzung kann sich für einen Empathen so anfühlen, als handle er wider seiner Natur. Hier liegt aber auch eine der wichtigsten Lernaufgaben des empathischen Menschen, um die Basis für eine Be-Ziehung schaffen und halten zu können: Nur zwei voneinander unabhängig existierende und selbstfürsorglich agierende Wesen können sich in gesunder Weise aufeinander be-ziehen.
Teilweise kann die Fürsorge eines empathischen Menschen für Andere auch enorm ungesund sein. Manchmal liegt eine empathische Wunde zugrunde:
10. Lernfelder für empathische Menschen
Jeder Mensch hat seine inneren Schätze und seine individuelle Besonderheit – auch der empathische Mensch. Und es gibt einige Bereiche, Lernfelder, in denen er sich liebevoll weiterentwickeln darf:
a. Unterscheidung zwischen Ich und dem Anderen
Der empathische Mensch darf Verbundenheit spüren und gleichzeitig verstehen, dass er für sich alleine existiert. Oft wird das als Widerspruch erlebt, der sehr viel Verwirrung und Unruhe stiften kann. Der Empath spürt oft über große Entfernungen die Gefühle seiner Mitmenschen und sieht sich oft nicht imstande, diese „abzuschalten“. Dies kann v.a. nach Streits oder Trennungen lange Zeit sehr belastend für Empathen sein, wenn sie widerstreitende Gefühle von Liebe und Ablehnung gleichzeitig erleben. Nach einer emotionalen Verletzung empfindet er Schmerzen, das Bedürfnis nach Schutz vor dieser Person, möchte aber gleichzeitig die Verbundenheit spüren (weil er es ja emotional auch von der Seite des Gegenübers wieder versteht). Er erlebt vieles gleichzeitig und kann oft gar nicht so genau differenzieren: „Was ist meins und was gehört dem Anderen?“. Das Resultat sind Verwirrung, innere Unruhe, vielleicht (unbegründete) Schuldgefühle. Gerade deswegen ist es für empathische Menschen so wichtig, sich die Zeit zu nehmen, dies zu unterscheiden und sich kennenzulernen. Die Fähigkeit, sich selbst zu kennen und zu stärken, anstatt das Gefühl/Bedürfnis des anderen für das eigene zu halten. Denn das ist auch für das Gegenüber empathischer Menschen verwirrend – sie erhalten widersprüchliche Signale und wissen diese nicht zu deuten. Oder der empathische Mensch “unterstellt” dem Gegenüber das eigene Gefühl und macht ihn dadurch (unbewusst) für sein Erleben verantwortlich. Die Unterscheidung zwischen Materie (Körper) und Seele (Gefühle) ist wichtig. Es existiert eine Verbundenheit auf der Gefühlsebene, körperlich und seelisch ist der empathische Mensch (wie jeder andere) aber für sein eigenes Wohlergehen verantwortlich. Und dies darf auch durch entsprechende Entscheidungen und Handlungen zum Ausdruck kommen.
B. Empathische Selbstwertschätzung
Für den empathischen Menschen ist es wichtig, sich kennenzulernen und herauszufinden, was ihm gut tut und dafür selbst die Verantwortung zu übernehmen. Danach darf er auf Basis seiner selbstfürsorglichen Handlung entscheiden, was er bereit ist, für Andere zu tun.
Aufgrund der frühen, invailidierenden Erfahrungen haben empathische Menschen oft ein geringes Selbstwertgefühl entwickelt (“Ich bin falsch”) und nehmen ihre eigenen, von anderen selten verstandenen Bedürfnisse nicht ernst oder haben gelernt, diese zu ignorieren. Vielleicht kennen sie sich dadurch auch nicht wirklich selbst. Weil sie sich in ihrem Dasein für andere oft dankbar und glücklich fühlen, laufen sie Gefahr, sich darin “zu verlieren”, entfremden sich dadurch von sich selbst und beginnen, ihr Dasein für andere als einzigen Sinn ihrer Existenz zu sehen. Der Empath wird zum “Fähnchen im Wind”. Die fehlende Erdung, das ausbleibende “bei sich ankommen”, die Vernachlässigung eigener Bedürfnisse wirken sich auf Selbstbild und Nervensystem des Empathen sehr ungesund aus.
Die Ignoranz eigener Bedürfnisse ist wie eine Ablehnung der eigenen, empfindsamen Seele. Sie äußern dadurch im Grunde sich selbst gegenüber, dass sie es nicht wert sind. Wenn der Empath sich andauernd für andere „gibt“, ohne dabei an sich selbst zu denken, kann dies (wie bei jedem anderen Menschen) irgendwann dazu führen, dass er „platzt“, wütend wird, Vorwürfe äußert und Forderungen an sein Gegenüber stellt, für die er im Grunde selbst verantwortlich ist. Nämlich, dass für ihn gesorgt wird. Das nachfolgende Video vermittelt eine Idee, Wege und Ansatzpunkte in ein natürliches Selbstwertgefühl:
Der Empath hat die Herausforderung zu meistern, die Verantwortung sich selbst ggü. wahrzunehmen, seinen Wert selbst zu schätzen, indem er sich Gutes tut und sich Zeit nimmt, bei sich selbst anzukommen. Nicht zuletzt liegt es auch in der Verantwortung des Empathen, das Zusammensein und die Verbindung mit anderen dahingehend zu prüfen, ob diese ihm gut tun oder ob er hier nur als “Geber” dient.
C. Loslassen toxischer Beziehungen – Empath und Narzisst
Durch Offenheit, Einfühlungsvermögen und nahezu bedingungslose Fähigkeit zu Verzeihen zieht der Empath nicht selten „verletzte“ Menschen in sein Leben, die oft unbewusst einen tiefen Schmerz in sich tragen, ohne selbst einen bewussten Zugang dazu zu haben (oder haben zu wollen).
Der Narzisst ist sich seiner Verletzung selten wirklich bewusst, hat im Gegensatz zum Empathen keinen tieferen, emotionalen Zugang zu sich selbst und dadurch auch nicht zu anderen. Narzisstische Menschen haben oft ein sehr fragiles Bild von sich selbst, das sie durch den bereits oben erwähnten Schutz zu verdecken versuchen. Der oft mit traumatischem Erleben verbundene und gut versteckte Schmerz führt zu einem anhaltenden Bedürfnis nach Bestätigung und bedingungsloser Zuwendung.
Der empathische Mensch spürt diese Bedürfnisse und den Schmerz und verhält sich entsprechend seiner Natur mitfühlend und verständnisvoll. Die energetische Reaktion zwischen diesen beiden kann sich zu Beginn wie die Vollendung eines Puzzles anfühlen: Unausgesprochen fühlt sich der Empath hier “richtig”, weil er die Reaktion des Narzissten auf sein Dasein spürt. Es wird bedingungslose Zuwendung und Bestätigung gesucht, die der Empath einbringen kann. Der Empath spürt diese Passung und führt die Freude des Narzissten auf seine Person zurück und hat das Gefühl, endlich selbst verstanden zu werden.
Der Narzisst aber, ist vordergründig an der “Ware” interessiert (oft ohne dies zu wissen) und kann (oder will) sich gar nicht wirklich auf den Empathen einlassen. Dieser kann ihm “gefährlich” werden. Denn über die Jahre hat er gelernt, seinen Schmerz gut zu deckeln, ihn einzumauern und erlebt maximale Panik, wenn sich ihm jemand wirklich nähert, was in der Beziehung mit einem Empathen irgendwann unausweichlich wird.
Der Narzisst möchte lediglich die Zuwendung des Empathen genießen und beginnt spätestens dann verteidigend um sich zu schießen, wenn der Empath ihm näher kommen möchte, eigene Bedürfnisse äußert oder „aus der Rolle fällt“. In dieser Kollusion erlebt der Empath anfangs in der Verbundenheit mit dem Narzissten das Gefühl, am richtigen Platz zu sein. Irgendwann, wenn er eigene Bedürfnisse anzusprechen beginnt oder feststellt, dass der Narzisst nicht in gleicher Weise für ihn da sein möchte (und kann), bricht das Bild des Empathen.
Im emotionalen Wechsel zwischen Empfindungen liebevoller Verbundenheit (für seine Zuwendung) und verteidigender Ablehnung (für das Einbringen seiner Bedürfnisse, die vom Narzissten als Angriff auf seine Person, als “Kritik” gedeutet werden), erlebt der Empath maximale Verwirrung. Er “versteht” den narzisstisch geprägten Menschen und liebt ihn aufrichtig, spürt aber auch deutlich die eigenen Bedürfnisse und “dass da etwas nicht stimmt”.
Er leidet, weil er einen Menschen liebt, der ihn “vergisst”, nicht auf ihn eingeht, ihn Tage lang warten lässt und ihm implizit zu verstehen gibt, dass seine Bedürfnisse und Empfindungen unwichtig oder “überzogen” sind. Der Empath leidet, möchte dieses Gefühl wieder “gut machen”, den Ursprungszustand wieder herstellen und bekommt erneut “eine vor den Latz”, weil der Narzisst lediglich auf sich selbst konzentriert ist und sich neuerlich “bedroht” fühlt. Wenn Du mehr Details zu dieser Dynamik wissen möchtest:
In dieser Dynamik geht für den Empathen darum, dieses Muster zu erkennen und in die Selbstfürsorge zu gehen. Für den Empathen bedeutet das – den geliebten Menschen zu „verlassen“, was ihn emotional zerreisst und extremes Leiden nach sich ziehen kann. Aufgrund des narzisstischen Abwehrverhaltens (Verleugnung und Abspaltung der Gefühle) landen die gesamten Gefühle beim Empathen.
Der Narzisst hat im Gegensatz zum Empathen einen dicken Schutzwall, an welcher er alle Empfindungen abprallen lässt und dem Empathen aufgrund seines “unangemessenen und kritisierenden Verhaltens” (für den Empathen = notwendiger Selbstschutz) die Schuld zuspricht und einfach weiterzieht. Der Empath bleibt nicht selten verwirrt, verängstigt und traumatisiert zurück.
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass sowohl Empath als auch Narzisst innerlich zutiefst verletzt sind, damit aber völlig unterschiedlich umgehen. Der Empath öffnet und verbindet sich, durchlebt alles (empathische Wunde), während der Narzisst alles an sich und seiner Mauer abprallen lässt (narzisstische Wunde).
Die Lernaufgabe des Empathen liegt darin zu erkennen, dass der um seiner selbst willen loslassen muss, wenn der Narzisst nicht bereit ist, auf ihn einzugehen – einfach um sich selbst zu retten. In dieser Begegnung lernt der Empath meist schmerzhaft, dass er von anderen unabhängig für sich selbst Verantwortung übernehmen, seine eigenen Bedürfnisse ernst nehmen muss, um gesund zu bleiben.
Einen kompletten Guide zum Ausstieg aus toxischen Beziehungen findest Du in meinem Buch Exit Gaslighting – Wege aus dem Nebel der psychischen Manipulation.
D. Gesunde Grenzen setzen
Empathischen Menschen fällt es schwer, sich einem geliebten Mitmenschen nicht zuzuwenden. Um sich wohl zu fühlen braucht der Empath aber einen „Schutzraum“, in dem er sich geborgen und sicher fühlen kann. Für diesen Schutzraum ist er selbst verantwortlich. Nicht selten geht der Empath davon aus, dass andere Menschen sich ebenso umsichtig verhalten werden (oder sollten), wie er selbst. Aufgrund des ausgeprägten Mitgefühls und Verständnisses zu entschuldigen Empathen oft das Verhalten anderer, geliebter Menschen, auch wenn dieses sie schmerzt und leiden lässt (siehe C.).
Hier ist der Empath aufgefordert, authentisch zu werden – d.h. im Kontakt mit sich selbst und seinem Empfinden zu bleiben und gemäß seiner eigenen Wahrheit zu handeln. In diesem Prozess gilt es, Techniken zu finden, um zur Ruhe zu kommen, die Aufmerksamkeit auf die eigenen Gefühle (und nicht die der anderen) lenken zu lernen, auf Erwartungen und Bedürfnisse von Dritten nur dann einzugehen, wenn es in Übereinstimmung mit der eigenen inneren Wahrheit steht. Und auch zu prüfen, ob es vielleicht einen versteckten Deal, eine Erwartung gibt, die der empathische Mensch mit seinem Verhalten verbindet.
Es gilt, sich herauszuwagen und “nein” zu sagen – und dann das Erleben dieser damit in Verbindung stehenden Gefühle anzunehmen. Siehe oben – den verlinkten Artikel und das Video zum Grenzen setzen.
E. Über eigene Gefühle und Bedürfnisse sprechen
Der Empath lässt nicht selten die Mitteilung seiner eigenen Bedürfnisse und Gefühle außer acht, weil er in der Vergangenheit oft Ablehnung und Unverständnis erlebt hat (s.o.). Wenn der Empath seinen Wert als Mensch anerkennt und sich in seinem Sein akzeptieren gelernt hat, gilt es im nächsten Schritt, auch dafür aufzustehen und sich mitzuteilen. Wenn der Empath sich nicht für sich selbst einsetzt und äußert, was ihm gefällt und was nicht, zeigt er sich nicht. Und wenn er sich nicht zeigt, nimmt er anderen Menschen dadurch auch die Möglichkeit, wirklich mit ihm in Kontakt zu treten, für ihn da zu sein. Häufig stehen dem Empathen hier zahlreiche, unbewusste Glaubenssätze im Weg, die ihn automatisch handeln lassen und in den Rückzug führen. Um wirklich in der Welt anzukommen braucht es das Selbstbekenntnis des Empathen: „So bin ich“. Der Empath darf lernen, ein für ihn schmerzhaftes Verhalten Dritter anzusprechen. Er darf lernen zu verstehen, dass er dadurch nicht den Menschen selbst, sondern lediglich dessen Verhalten für sich bewertet. Er darf lernen, dass dies erlaubt und für authentische Beziehungen wichtig ist!
F. Auf Abwertungen und Missachtung angemessen reagieren
Trifft der Empath auf Menschen, die in ihren Aussagen und ihrem Verhalten zu erkennen geben, dass sie sich nicht auf Augenhöhe und mit Achtsamkeit auf den Empathen einlassen wollen/können, ist es am Empathen, eine für ihn gesunde, weise Distanz zu wählen. Natürlich setzt dies voraus, dass der Empath sich wahrnimmt und zu sich steht.
Wenn das Gegenüber wiederholt abwertend oder invalidierend reagiert, kann der Empath dies ansprechen. Wenn der Empath erkennt, dass das Gegenüber darauf nicht eingeht, geht es sehr wahrscheinlich weniger um den Menschen selbst, sondern um das, was der Empath zu bieten hat (bedingungslose Liebe, Einfühlung, Verständnis). Der empathische Mensch muss hier eine Wahl zu seinen Gunsten treffen und sich davor schützen, sich als Tankstelle oder emotionale Müllhalde anzubieten. Das liegt alleine in seiner Verantwortung, denn wir können andere Menschen nicht ändern, sondern nur entscheiden, wie wir uns diesbezüglich verhalten wollen.
Dies fordert dem Empathen wiederum einiges ab: er muss sein bedingungsloses Verständnis etwas leiser drehen, sich die verletzenden Verhaltensweisen des Gegenübers bewusster machen und das Bedürfnis, die Wunde oder das Unvermögen der anderen Person leiser drehen. Es fällt dem Empathen sehr schwer, an dieser Stelle seine eigenen Bedürfnisse über die der anderen Person zu stellen.
Tut er dies jedoch nicht, verursacht er durch diese Missachtung der eigenen Person sein eigenes Leid – weil er im Grunde seine Bedürfnisse, seine Wahrheit und sein Wohlbefinden dem einer anderen Person unterordnet.
Auf Ebene des Unterbewusstseins können diese (und mehr) Kernthemen ungesunder Verbundenheit in einer eigens hierfür kreierten Trance-Session sanft angesprochen werden:
Audio | TRANCE & TIEFENENTSPANNUNG
Unabhängig von der Art der Beziehung sind es immer dieselben inneren Variablen, die gesunde Verbundenheit verhindern (inklusive gesunder Grenzen) und ungesunde Konstellationen aufrechterhalten. Veränderungsresistente Blockaden liegen oft in tieferen Schichten: Unserem Unterbewusstsein. Emotionale Programme, Überzeugungen und Ängste sind hier verankert und können uns daran hindern, voranzugehen.
Die Trance-Session Gesunde Verbundenheit mit Dir & Anderen spricht genau jene Größen in Deinem Unterbewusstsein sanft an und lädt sie (gemäß Deines freien Willens!) zur Transformation ein.
Zusammenfassung
Empathen spüren Stimmungen, Gefühle und Erwartungen anderer Menschen oft so, als seien es die eigenen. Sie sind durch ihr tiefes Verständnis in der Lage, anderen Menschen durch ihre bloße Anwesenheit heilsam für sie zu sein.
Ihre Liebe und ihr Mitgefühl ist schier grenzenlos und begleitet vom tiefen Wissen, dass alles mit allem verbunden ist. Darin liegt eine tiefe Weisheit. In Beziehungen können Empathen auf Basis von bedingungsloser Liebe für andere dazu neigen, ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle unterzuordnen.
Der empathische Mensch darf diese bedingungslose Liebe nicht nur anderen, sondern in erster Linie sich selbst zukommen lassen!
Das bedeutet, sich selbst zu umarmen, Bedürfnisse mitzuteilen und gesunde Grenzen zu setzen, wenn ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse vom Gegenüber nicht gehört werden wollen/können.
Jeder Mensch ist wertvoll und besonders – auch Du!
Wenn Du Dich als empathischen Menschen erlebst: Denke daran, dass Deine Empathie und Liebe Dich selbst einschließen darf!
Du darfst an Dich selbst denken und gesunde Grenzen setzen! Mache Dir bewusst, dass Deine fehlende Selbstliebe und -wertschätzung auch Deine Mitmenschen und Liebsten treffen wird! Dass dadurch wahrhafte Beziehungen unmöglich werden. Deine Mitmenschen dürfen achtsam und rücksichtsvoll mit Dir umgehen. Doch verstehe, dass sie nicht dafür verantwortlich sind, Dich zu versorgen – diese Verantwortung liegt primär bei Dir!
Es ist Dein Geburtsrecht, in Deiner eigenen Fülle zu leben und zu lieben. In Dir sprudelt eine Quelle der Liebe und Heilung, die geschützt werden darf und an der Du Dich selbst laben darfst.
Wenn Du in einer Beziehung oder Freundschaft mit einem Empathen bist, kannst Du Dich glücklich schätzen: Dieser Mensch wird vielleicht immer für Dich da sein – auch in Deinen dunkelsten Stunden. Wenn es Dir wirklich um ihn geht und er Dir als Mensch wichtig ist: Achte ihn, versuche auch auf seine Bedürfnisse und Anliegen einzugehen, frage nach, zeige ihm, dass er Dir wichtig ist (er muss es ab und wann hören und spüren). Nimm ihn in den Arm, wenn er verwirrt und überfordert ist. Lass ihn alleine, wenn er es braucht (und nimm es nicht persönlich). Mache aber auch Deine Grenzen deutlich. Manchmal muss ein empathischer Mensch daran erinnert werden, dass Du für Verantwortung für Dich und er diese für sich selbst hat. Dass trotzdem Liebe und ein wechselseitiges füreinander da sein möglich ist.
Für ein freieres Leben!
Einladung
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Die modellhaften Annahmen basieren auf jahrelanger, beruflicher Beobachtung, persönlicher Erfahrung/Erkenntnis und Einbezug von Wissen (aus der Psychoanalyse, Psychodynamik, Entwicklungspsychologie). Ich möchte bezüglich der Inhalte auf das Urheberrecht verweisen. Die Artikel, also auch Annahmen und Hypothesen dürfen gerne geteilt und weitergegeben werden. Dies aber bitte immer nur unter Nennung der Quelle (meinem Namen und Angabe der Webseite).