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Verstand = Ego?
In den letzten Jahren hat sich eine Tendenz entwickelt, alles aus dem Verstand heraus entstehende in eine dunkle Ecke zu schieben. Unter dem Begriff Ego werden vielfältige Gedanken, Reaktionen und Impulse unseres Verstandes subsummiert. Oft ohne Differenzierung. In einigen Strömungen kommt “unser Ego” gar nicht gut weg. Dabei gehört unser Verstand genau so zu uns, wie unser lebendiges Herz, unsere Gefühlswelt und unsere Intuition. Mehr noch – ohne unser Gehirn würden wir all diese Qualitäten vermutlich nicht wahrnehmen oder nutzen können.
Dieser Artikel möchte Dich einladen, Dein Ego aus dem Schatten zu holen. Dir die Zeit zu nehmen, es besser zu verstehen. Wissen darüber zu erwerben, wie Dein Gehirn funktioniert & es dann bewusst zu nutzen. Denn das ist ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Transformation.
Wenn Transformation misslingt
Vielleicht gehört Du zu den Menschen, die ein bestimmtes Thema zu verändern & zu transformieren versucht haben: Das unterwürfige Verhalten gegenüber dem Chef, die Unterordnung in der Familie, Wutausbrüche gegenüber nahestehenden Menschen, Übermäßige Reaktionen auf bestimmte Trigger, Rückfall in Selbstabwertungen oder eine toxische Beziehung, Rauchen usw.
Es gibt vieles, das wir gerne an uns verändern wollen. Und ich bin ganz ehrlich zu Dir: Meistens gelingt das nicht. Zumindest nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben & nicht immer sofort.
Wenn Transformation misslingt, können Selbstvorwürfe bis hin zum Self-Bashing, Schuldgefühle und Scham die Folge sein. Genau deswegen erzähle ich Dir heute etwas über Dein Gehirn.
Unser Gehirn ist ein Wunder
Jede Nervenzelle (Neuron) in unserem Gehirn verfügt über ca. zehntausend Verbindungen (Synapsen) zu anderen Neuronen. Daraus ergeben sich alleine in unserem Schädelanteil des Nervensystems Hunderte von Billionen (!) Synapsen. Verschiedene Gruppen bilden dabei riesenhafte, spinnennetzartige Strukturen.
Viele Informationen aus dem Buch Die Alchemie der Gefühle von Daniel J. Siegel sind in diesen Beitrag eingeflossen. Siegel schreibt: “Auch wenn wir wollten, würden wir nicht lange genug leben, um alle synaptischen Verknüpfungen zu zählen”.
Weiter schreibt er: “Angesichts dieser Anzahl von Verbindungen hat man die möglichen “An-Aus”-Feuerungsmuster des Gehirns – sein Potenzial für verschiedene Aktivierungszustände – auf zehn hoch eine Million berechnet, das heißt eine Zehn mit einer Million Nullen. Diese Anzahl soll größer sein, als die Anzahl Atome im bekannten Universum.”
Hier dürfen wir kurz inne halten und demütig werden: Das ist es, was unser Gehirn mit seiner anatomischen und funktionellen Struktur könnte. Diese Fähigkeit bildet die Basis für die Fähigkeit zur Transformation / Veränderung. Transformation geschieht u.a. dadurch, dass wir damit beginnen, neue mentale Karten anzulegen und sie zu aktivieren.
Keinesfalls können wir alle Aktivierungsmuster, die unser Gehirn annehmen könnte, innerhalb eines Lebens erleben. Das entspannt auch ein bisschen, nicht wahr?
Doch – wie legt man solche Karten an?
Transformation | von der alten zur neuen Landkarte
Eine alte mentale Karte enthält Informationen darüber, wer Du bist, was Dich ausmacht, Deine Stärken, Schwächen und Begrenzungen. Es sind Informationen, die Du Zeit Deines Lebens über Dich (und Andere) gesammelt und in diese Karten integriert hast. Dein Selbst- und Weltbild. Dein Denken, Fühlen und Verhalten orientiert sich daran – und zwar ganz unabhängig davon, ob die Informationen dieser Landkarte vollständig & zutreffend sind oder nicht.
Wollen wir nun eine Veränderung, eine Transformation vollziehen, stoßen Viele schon an die erste Grenze: “Das kann ich mir nicht vorstellen!” – und geben dann auf. Leider. Denn Veränderung ist möglich und sie beginnt mit dem “für möglich halten”, dass ein bestimmtes, gefühltes Ergebnis eintreten könnte. Je stärker wir mit einer Landkarte (von uns oder anderen) identifiziert sind, umso schwieriger ist Veränderung.
Beispielsweise kann eine Frau, die sich Klarheit, Selbstbestimmung & Verbundenheit in ihren Beziehungen wünscht, dieses Ergebnis nur dann neuronal zu repräsentieren beginnen, wenn sie damit beginnt, es sich vorzustellen. Sich selbst in einer Situation zu sehen und zu spüren, in der sie eben das erlebt: Klarheit, Selbstbestimmung & Verbundenheit. Indem sie sich selbst sieht, wie sie sich bewegt, wie ihre Mimik aussieht, wie sie interagiert, fühlt und denkt wenn sie Klarheit, Selbstbestimmung & Verbundenheit erlebt. Die Erzeugung eines Bildes, das mit einem emotionalen Erleben und entsprechenden Gedanken unterfüttert ist, ist der Beginn einer neuen mentalen Karte. Das ist kein Hokuspokus: Hierdurch werden Neuronen zum Feuern motiviert, die vielleicht noch nie zuvor miteinander gefeuert haben. Diese Neuronen verbinden sich zu einer neuen mentalen Landkarte.
Bei unserer Beispiel-Frau könnte so neben der alten Karte (“Ich bin unsicher, unentschlossen, emotional abhängig, wenig durchsetzungsfähig und fühle mich aufgrund meiner Angst isoliert”) zart und langsam eine neue entstehen.
Weiter unten wirst Du erfahren, dass diese Landkarten aufgrund ihrer neurobiologischen Verbindungen zu Emotionen und Handlungen führen können. Das ist Transformation. Und sie beginnt durch bewusste Nutzung unseres Verstandes!
Transformation | Weshalb viele aufgeben...
- Zu starke Identifikation mit der aktuellen, alten Karte: Eine alte Karte gibt Sicherheit, eine neue führt uns in unbekanntes Terrain – viele Menschen haben Angst vor Unsicherheit (“Ich weiß, wie ich bin und wie die Welt ist.”)
- Widerstand gegenüber der Vorstellung: Bei der Visualisierung schwingen Widerstände mit, Unglaube – die alte Landkarte mit ihren Vorstellungen drängt sich hinein (“kann nicht”, “unmöglich”). Darunter können sich oft sehr starke Überzeugungen und Gefühle verbergen (z.B. “Das hab ich nicht verdient”).
- Empfundenes Scheitern, wenn die alte Landkarte sich zeigt (“Ich hab mich schon wieder so verhalten, so gefühlt, obwohl ich das doch anders machen wollte.”) und darüber aufgeben, weil man sich als
- Versager fühlt und darüber die alte Karte wieder reaktiviert und in einer
- Unbewussten Rückkehr zur alten Karte verhaftet bleibt
- Selbstvorwürfe, Schuldgefühle und Scham in Form einer Selbstbestrafung die Oberhand gewinnen, weil es nicht immer so klappt, wie es der Guru, Coach oder wer auch immer es prophezeit hat
- Fehlendes Wissen: Die alten Karten des Selbstbilds, der Gefühle und Assoziationen lösen sich nicht in Luft auf – sie werden immer mal wieder aktiv, wenn genug Stress im System ist – genau darum geht es in diesem Beitrag!
Mit diesem Beitrag möchte ich einerseits Wissen vermitteln und Dir andererseits auch sagen: Transformation bedeutet nicht, etwas von Dir abzuspalten, zu verdrängen oder loszuwerden, was Du bist. Im Gegenteil – es geht um Integration. Und die Rückeroberung bewusster Entscheidungen und Deiner Neuausrichtung. Das setzt voraus, dass Du erst einmal akzeptierst, annimmst und immer wieder verständnisvoll betrachtest, was Du jetzt über Dich selbst denkst, fühlst und was Du tust – obwohl Du es Dir vielleicht anders wünschen würdest. Alles andere erzeugt Stress in Deinem System und drängt Deinen Präfrontalen Kortex (in dem die neuen Karten liegen) in den Shut-Down: Deine neuen mentalen Karten driften so immer weiter von Dir weg. Zu viel Stress verhindert, dass Deine Transformation Gestalt annimmt!
Lerne Deinen Verstand, Dein Gehirn in diesem Beitrag kennen und nutze dieses Wissen – um Dich besser zu verstehen und nachsichtiger mit Dir selbst zu sein.
In Einzelfällen mögen transformative Schritte schnell gehen. Entgegen der Meinung vieler Transformations-Coaches glaube ich, dass nachhaltige Transformation ihre Zeit braucht. Manchmal entsteht der Eindruck, man könne in eine andere Identität “flüchten”, indem man sich einfach eine neue bastelt. Veränderungen sind möglich! Doch sie erfordern eine bewusste Arbeit. Der Grund, weshalb nachhaltige Transformation oft nicht gelingt, liegt meiner Meinung nach an dem Bild, das über Transformation vermittelt wird: Es stimmt nicht mit den neurobiologischen Gegebenheiten überein.
Exkurs in die Neurobiologie
Der nachfolgende Abschnitt ist sehr vereinfacht! Dein Gehirn besitzt viele Strukturen, von denen drei insbesondere für diesen Beitrag zu Transformation wichtig sind: Der Hirnstamm, das limbische System & der präfrontale Kortex.
1. DER HIRNSTAMM
Er ist der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil unseres Gehirns. Hier wohnt quasi unser menschliches Tier. Der Hirnstamm beinhaltet auf- und absteigende Nervenfasern, Ansammlungen von Neuronen. Er erhält Informationen vom Körper und versendet auch welche “nach unten”. Der Hirnstamm verschaltet und verarbeitet Sinneseindrücke & motorische Informationen.
Der Hirnstamm tritt aus dem Rückenmark hervor und umfasst von unten nach oben die Medulla Oblongata (verlängertes Rückenmark), den Pons (Brücke) und das Mesencephalon (Mittelhirn).
Aufgaben: Automatische Regulation von Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Stoffwechselvorgänge. Dadurch kontrolliert der Hirnstamm das Energieniveau des Körpers, aber auch der darüber liegenden Hirnbereiche. U.a. der limbischen und kortikalen Strukturen.
Wichtige Erkenntnis: Bei Gefahr wird im Rahmen der Stressreaktion im Hirnstamm Energie erzeugt und (unter Einbezug der limbischen & kortikalen Strukturen) entschieden, ob wir kämpfen, flüchten oder erstarren. Der Hirnstamm moduliert also den Überlebensmodus. Wenn unser Gehirn oder der Körper rasch sehr viel Energie benötigen, dann stellt der Hirnstamm diese bereit.
2. Das limbische System
Das limbische System ist nicht einfach nur eine Struktur, sondern eine Funktionseinheit aus mehreren Strukturen. U.a. werden folgende Strukturen zum limbischen System gerechnet:
Hippocampus – wichtig für die Generierung von Langzeiterinnerungen
Hypothalamus – Steuersystem endokrine Drüsen (Hormone): Regulation von Körpertemperatur, Hunger, Schlaf, Müdigkeit, Geschlechtsorgane, Schilddrüse & Nebenniere (Stress!)
Thalamus – Schlafregulation, Aufmerksamkeit und Alarmbereitschaft
Riechkolben – verarbeitet sensorischen Input (Riechen)
Fornix – überträgt u.a. Signale vom Hippocampus zu Mamillarkörper und Septum
Mamillarkörper
Gyrus Cinguli – beteiligt an autonomen Funktionen, reguliert Herzrate, Blutdruck, kognitive und Aufmerksamkeitsprozesse
Amygdala (Mandelkern) – Gedächtnis, Entscheidungsprozesse und emotionale Reaktionen, sendet motivational bedeutsame Signale an den Kortex
Basalganglien – Bewegungskontrolle, Lernen, Gewohnheiten und Emotionen
Das limbische System (LS) ist beteiligt an der Erzeugung von Grundtrieben und Gefühlen. Vereinfacht fragt das LS immer, ob eine Situation “gut” oder “schlecht” für uns ist (Wir bewerten alle! Bzw. unser Gehirn tut es!). An das Gute nähert man sich an, vom Schlechten zieht man sich zurück (Handlung). Dieses “Annäherungs-/Vermeidungsprogramm” sitzt im limbischen System. Das LS erzeugt auch Emotionen, die uns dann zur Handlung & Aktion (Annäherung/Vermeidung) motivieren.
Das LS moduliert auch , wie wir in Beziehung treten. Alle Säugetiere, die über ein limbisches System verfügen, sind in der Lage “Anhänglichkeit” zu zeigen (im Gegensatz zu Amphibien bspw.).
Aufgaben: Regulation und Vermittlung von Beziehungsverhalten, Trieben, Emotionen und Stress. Amygdala & Hippocampus bilden Erinnerungen an Fakten, Erlebnisse & mit ihnen verbundenen Gefühle. Die Amygdala ist eng mit der Emotion Angst verbunden und kann eine Überlebensreaktion auslösen, ohne dass wir darüber nachdenken. Sehen wir z.B. eine Schlange, kann es sein, dass wir weghüpfen und erst danach “verstehen”, weshalb wir weggehüpft sind (Low Road, LeDoux). Das Nachdenken, Verstehen der Emotion findet im Kortex statt. Das dauert manchmal zu lange. Denn dazu müssen die Informationen des LS mit dem Kortex verknüpft werden (High Road, LeDoux).
Wichtige Erkenntnisse: Bei Angst und Stress, reagieren wir also oft automatisch! Der Hypothalamus vermittelt Hormone für die Stressreaktion. Die Nebennieren werden (nach der Ausschüttung von Adrenalin) zur Freisetzung von Kortisol stimuliert, wodurch Energie mobilsiert wird (siehe Hirnstamm) – um mit dem Auslöser fertig zu werden. Kurzfristig hilfreich (Prüfungen, lebensbedrohliche Situationen), ist das langfristig sehr schädlich.
Ist das limbische System (durch z.B. traumatische Erfahrungen) sensibilisiert, reagiert es selbst auf harmlose Auslöser (Trigger). Dann kann der Alltag zum Albtraum werden, weil eine permanente Alarmbereitschaft besteht. Dann wird ein als “Ausnahme” vorgesehener Mechanismus zum Dauerzustand.
Es ist sehr wichtig (!), dass wir die Fähigkeit erwerben, eine zu starke limbische Aktivität (= chronischen Stress) einzudämmen (Selbst-Regulation).
3. Der präfrontale Kortex (PFC)
Der PFC ist Teil des Kortex – der äußersten Schicht des Gehirns. Mit der Weiterentwicklung des Menschen hat sich diese “Hirnrinde” immer mehr ausgedehnt. Der Kortex weist komplexere Muster neuronaler Aktivität auf, die über basale Überlebensreaktionen und Körperfunktionen weit hinausgehen. Der PFC liegt frontal zu unserer Stirn hin (Frontallappen). Wie man auf der vereinfachten Abbildung sehen kann, gibt es Verbindungen zwischen limbischem System (Emotionen, Stress) und dem PFC.
Anatomisch ist der mittlere präfrontale Kortex nur einen Synapsenwurf vom limbischen System entfernt. Der eingewölbte, unterste Bereich des PFC reicht zudem an die Hirnstammgrenzen heran.
Im Frontallappen liegen “neuronale Karten”, die uns sagen, wer wir sind und wer nicht – Informationen über unsere Persönlichkeit. Im 18. Jahrhundert wurde der Eisenbahnarbeiter Phineas Gage berühmt. Er überlebte einen Unfall, bei dem eine Eisenstange seinen Schädel durchschlagen hatte. Doch – seine gesamte Persönlichkeit war verändert, er konnte seine Impulse nicht mehr kontrollieren und das Gleichgewicht zwischen seinen „geistigen Fähigkeiten und seinen tierischen Leidenschaften“ war gestört. Anhand dieses Falls schloss man auf die Funktionen des Frontallappens.
Aufgaben: Denken, Planung, Problemlösung, Entscheidungen, Risikoabschätzung und Verhaltenshemmung. Der Botenstoff GABA wirkt von hier ausgehend im ganzen Gehirn hemmend auf die Überstimulierung von Rezeptorneuronen. So werden “Affekthandlungen” gebremst. Vorstellungsvermögen, Kombination von Fakten und Erfahrungen.
Wichtige Erkenntnisse: Im PFC schaffen wir Repräsentationen (Vorstellungen) von abstrakteren Größen wie Ich-Gefühl, Identität, Zeit und Moral. Visualisieren wir oder erinnern etwas bildlich, dann initiiert der (seitliche) PFC einen Teil des Okzipitallappens. Das “visuelle Areal” wird “bewusst” aktiviert.
Im PFC sind mentale “Landkarten” darüber abgelegt, was wir über die Zeit “gelernt” haben: Über uns selbst (Selbstbild), unsere Grenzen, Schwächen und Stärken, über die Welt und – unsere Mitmenschen usw. Hier vereinen sich die Fähigkeiten zur Verhaltenskontrolle, Einsicht und moralischem Handeln ebenso, wie jene zur Empathie.
Besonders wichtig: Wir sind in der Lage, neue Landkarten anzulegen und alte zu verwerfen (hier kann man über das Nachdenken nachdenken!)! Genau diese Fähigkeit benötigen wir, um Transformation – tiefgreifende Veränderungen – nachhaltig zu erreichen! Ebenso können wir auf Landkarten über das Innenleben anderer Menschen zuzugreifen (Voraussetzung für Empathie) – wenn der PFC funktioniert.
Zusammenfassung - Präfrontaler Kortex
- Die neurobiologische Entsprechung für Transformation besteht im Anlegen und Aktivieren von neuen, mentalen Landkarten.
- Hierzu ist ein funktionierender, präfrontaler Kortex wichtig.
- Der PFC kann auf das limbische System und den Hirnstamm einwirken (Stress regulieren).
- Über die Verbindungen PFC – limbisches System – Hirnstamm ist auch ein Einwirken auf den Körper möglich.
- Nach Daniel J. Siegel übernimmt der PFC folgende, für unser Wohlbefinden unerlässlichen Funktionen:
1. Körperregulation
2. Eingestimmte Kommunikation
3. Emotionale Ausgeglichenheit
4. Reaktionsflexibilität
5. Angstmodulation
6. Empathie
7. Einsicht
8. Moralisches Bewusstsein
9. Intuition
Wenn es zu viel wird...
Für jeden Menschen gibt es einen individuellen Punkt, an dem es “zu viel wird”. Man wird “kopflos”, handelt unüberlegt oder rutscht in alte Verhaltensmuster (alte Landkarten) zurück, die man schon hinter sich zu lassen geglaubt hatte. Das geschieht, wenn die Aktivierungsenergie so stark ist, dass der PFC sie nicht mehr regulieren kann.
Hunger, zu wenig Schlaf oder Schmerzen können die Grundbelastbarkeit reduzieren. Kommen weitere Stressoren (Druck am Arbeitsplatz, Streit mit Partner, Freunden oder enger Terminplan) hinzu, kann das die Aktivierung über ein für den PFC regulierbares Maß hinaus anheben.
Wie oben beschrieben können auch Trigger sehr starke Emotionen und manchmal unbewusste, emotionale Erinnerungen aktivieren. Stress pur! Die neue mentale Landkarte (was Du tun, sagen, fühlen wolltest, ist in weite Ferne gerückt – kein Zugriff!).
Übernimmt das Menschentier in uns (Fight, Flight, Fright oder Freeze) und der PFC kann nicht gegensteuern, dann gehen uns die neun unerlässlichen Funktionen verloren. Wir finden uns dann in Situationen wieder, in denen
wir schnell atmen, schwitzen – das Herz rast (Körperregulation),
wir uns isoliert fühlen und uns nicht auf Andere einstimmen können (eingestimmte Kommunikation),
wir uns übererregt, depressiv oder gelähmt fühlen (emotionale Ausgeglichenheit)
es uns nicht möglich ist, überlegt innezuhalten und zu entscheiden, wie wir reagieren wollen (Reflektionsflexibilität)
die Hemmung der Ausbrüche des limbischen Systems nicht mehr funktioniert und wir von unseren überbordernden Gefühlen gesteuert werden (oft eine unbewusste Angst – Angstmodulation),
wir keinen wirklichen Zugang mehr zu unserem Gegenüber haben, ihn weder verstehen noch erfühlen können (Empathie – Landkarten über Andere),
uns die Draufsicht auf unsere eigene Gegenwart, Vergangenheit & Zukunft fehlt – wir sehen uns selbst und das, was geschieht nicht mehr klar (Einsicht),
unser Handeln nicht mit unseren eigenen moralischen Überzeugungen übereinstimmt, der Zugriff auf unser Wertebewusstsein verloren ist – wir sind “außer uns” (Moralisches Bewusstsein)
wir nicht mehr intuitiv erspüren und entscheiden können, was “richtig” ist, weil die Integration von Informationen aus dem gesamten Körper (PFC) nicht mehr funktioniert. Was sich in diesem Moment “richtig anfühlt” kann im Nachhinein betrachtet “falsch” gewesen sein (Intuition)
In diesem Zustand haben wir keinen Zugriff auf die Funktionen des PFC. Und genau der beinhaltet, organisiert und aktiviert die neu angelegten, mentalen Karten.
Zusammenfassung - Ausnahmezustand
- Der Zugriff auf neue, mentale Landkarten erfordert einen funktionsfähigen präfrontalen Kortex.
- Im kopflosen Ausnahmezustand quittiert der PFC seinen Dienst und macht zu.
- Das Menschentier übernimmt und wir werden von einem Überlebensprogramm angetrieben.
- Die wesentlichen Grundfunktionen des PFC sind außer Kraft gesetzt (s.o.)
- Es ist völlig sinnlos, sich für diesen Ausnahmezustand zu verurteilen
- Man darf in der Reflektion der Ereignisse für entstandenen Schaden bei Anderen, Wiedergutmachung leisten
- Die Situation und sich selbst anschließend zu reflektieren (“Was ist aus welchem Grund passiert?”) ist wichtig
- Dies erweitert die Meta-Landkarte über sich selbst und schafft Voraussetzungen, um ggf. beim nächsten Mal rechtzeitig unterbrechen zu können (Regulation erlernen)
- Dies bedeutet kein Scheitern von Transformation & Veränderung, denn
- Neue mentale Landkarten in Form von gefühlt-visualisierten Veränderungen – was wir tun, sagen, denken oder fühlen wollten – sind in solchen Momenten nicht mehr greifbar.
Transformation | Verständnis für den Verstand
Wir sind nicht in jeder Situation in der Lage, einen neu eingeschlagenen Weg zu halten. Transformation ist nicht linear. Wenn der Hippocampus im limbischen System uns alte, unverarbeitete Traumata oder intensive emotionale Erinnerungen serviert, kann es schon mal “aussetzen”. Das kann in alltäglichen Situationen durch einen versteckten Trigger passieren. Alltagsbelastungen und Konflikte können ihren Beitrag leisten. Unser PFC ist in der Lage, ein gutes Maß an Regulationsarbeit zu leisten. Und er ist lern-, die Fähigkeiten ausbaufähig. Das können wir durch Selbstverständnis und Reflektion, ein immer besseres Kennenlernen unserer Selbst erreichen. So funktioniert auch der Spiegelprozess im inneren Universum. Damit helfen wir dem PFC auch, ein Mehr an Kontinuität hinsichtlich Deiner gewünschten Transformation zu gewährleisten.
Feuern limbisches System & Hirnstamm erst einmal im Muster eines anhaltenden Kampf-oder-Flucht-Modus, geht es um Regulation und Beruhigung. Stress zu erkennen und Mittel zur Regulation parat zu haben ist ein unabdingbarer Bestandteil transformativer Vorgänge. Alles Neue kostet Energie, Aufmerksamkeit und stellt daher an sich schon einen Stressor dar.
Mit diesem Beitrag bitte ich Dich, mit Dir selbst mehr Verständnis zu haben, wenn Deine angestrebten Veränderungen nicht konstant bestehen bleiben, wenn es Schwankungen gibt.
Dein Verstand ist nicht per se Dein Ego!
Wenn Du den Beitrag aufmerksam durchliest, wirst Du erkennen, dass ein Aussetzen Deines Verstandes (Deines PFC) eher dazu führt, dass Du Dich egozentrisch und unreflektiert verhalten könntest.
Ich hoffe sehr, dass dieser ausführliche Beitrag Dir zu Einsichten, innerem Frieden und mehr Nachsicht verhelfen konnte. Von Herzen alles Liebe,
Deine Kristina
Einladung
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