Übersicht
Einleitung | Trauma & Re-Integration
Die in diesem Beitrag getätigten Aussagen sind keine Anleitung zur Selbst-Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung nach ICD-10 oder jeglicher anderweitiger diagnostisch relevanter “Störungen”. Diese bedürfen immer der fachlichen Begleitung durch einen qualifizierten Psychotherapeuten (siehe Disclaimer).
Die in diesem Text als “Trauma” bezeichneten Ereignisse meinen eben nicht den im diagnostischen Kontext verwendeten, störungswertigen Begriff, sondern beziehen sich auf den Ursprung des Begriffes, der aus dem Griechischen übersetzt schlicht als “Wunde” bezeichnet werden kann. Derartige Wunden tragen wir alle mehr oder weniger in uns – ohne dass die Diagnose einer PTBS gerechtfertigt wäre.
In unserem Leben geschieht es immer wieder – jemand sagt etwas, tut etwas oder zeigt eine bestimmte Haltung & in uns bricht etwas los. Etwas wird berührt, aktiviert, in Bewegung versetzt – ein Trauma, eine Wunde.
Ein Trigger ist ein äußeres Ereignis (oder auch ein Gedanke über ein äußeres Ereignis), das ein Trauma (eine Wunde) berührt.
Eine frühere, traumatische Erfahrung wird mit den damals erlebten Qualitäten reaktiviert.
Ein mit dem Ursprungsereignis assoziierter Auslöser fackelt jene Zündschnur (= neurosynaptischen Bahnen) an, die dann – oft explosionsartig & intensiv – jene Bereiche im Gehirn aktivieren, die das Trauma von damals ins Hier & Jetzt katapultieren.
Oft handelt es sich dabei um – vereinfacht gesagt – Aspekte, die noch nicht vollständig integriert, noch keinen festen Platz & Ruhe in uns gefunden haben. Wäre dem so, dann wäre die Intensität unserer Reaktion nicht so gravierend. Wenn sich uns ETWAS auf diese Weise zeigt, ist dies eine Chance. Eine Chance zur Re-Integration dessen, was damals – aufgrund nicht in unserer Macht stehender Ereignisse – abgetrennt wurde.
Gabor Maté, den ich im Zusammenhang mit seinen Beiträgen zur Trauma-Arbeit sehr schätze, sagt sinngemäß:
“Das Trauma ist nicht das Ereignis selbst, sondern das, was durch das Ereignis in uns geschieht: Der Verlust der Verbindung zu unserem Selbst.”
Nach Maté ist es genau jene fehlende Verbindung, die Leid & Schmerz verursacht. Jene inneren Prozesse, die sich auf eine Index-Situation hin entwickeln & auch im weiteren Verlauf des Lebens, die innere Trennung aufrechterhalten. Das ist das eigentliche (fortgesetzte) Trauma.
In diesem Beitrag möchte ich drei Schritte aufzeigen, die für Prozesse der Re-Integration unbedingt notwendig sind. Inklusive der wichtigen Unterscheidung zwischen innerer & äußerer Ebene.
Wichtiger Zusatz: Es geht nicht darum, dass ein uns triggerndes Ereignis (oder ein Mensch) eigentlich “okay” & unser Erleben “falsch” sei. Im Gegenteil: Solch ein Auslöser zeigt uns, dass hier etwas (für uns) gar nicht in Ordnung ist & unser Ausdruck, unser Erleben und unsere Reaktion hier verändert werden möchte.
Genau das bedarf der Re-Integration. Von der Trennung zur Integration braucht es unbedingt zwei Ebenen: Innen & Außen.
Um Veränderungen im Außen herbeizuführen müssen wir erst erfühlen & verstehen, worum es bei unserem Trauma innerlich geht. Es braucht Klarheit. Im Zustand einer starken inneren Aktivierung fehlt diese Klarheit. Die Reihenfolge ist daher wichtig: Erst innen, dann außen. Denn auf diesen beiden Ebenen sind unterschiedliche Schritte wichtig & es gelten andere Bedingungen.
Genau darum geht es in diesem Beitrag.
Trauma & Re-Integration | Erster & zweiter Schritt - Innere Ebene
Das Herausfordernde auf dem Weg der Re-Integration unserer Aspekte ist die Unterscheidung zwischen innerer & äußerer Ebene. Wenn Ereignisse, Aussagen oder Verhaltensweisen Anderer “etwas in uns triggern”, begegnest Du einem Trauma in Deinem inneren Universum. Der Trigger macht ein Trauma sichtbar, fühlbar.
Genau dann ist es die Chance, auf der inneren Ebene die bedingungslose Annahme gegenüber dem zu wählen, was sich zeigt. Es braucht dann Aufmerksamkeit, Hinwendung, Einladung. So dass dieser Aspekt offene Türen in uns vorfindet und versteht, dass er zurückkehren, einen Platz haben darf.
Diese Haltung bildet die Basis für den Aufbau einer sicheren, inneren Beziehung zu jenem Aspekt, der sich zeigt und bisher keinen festen Platz der Annahme in uns hatte.
Der erste Schritt besteht im vollständigen Fühlen dessen, was durch die traumatische Situation erlebt wurde. Auf der inneren Ebene fächert sich so das Desintegrierte auf. Anschließend geht es darum, ein Milieu der absoluten Annahme für genau das zu kreieren (zweiter Schritt), was durch den Trigger ins Erleben drängt: Totales Verständnis & Selbst-Validierung.
Beim ersten & zweiten Schritt auf der inneren Ebene geht es um: Hinhören, hinspüren, lauschen und verstehen – “Was braucht ES jetzt? Wie kann ICH diese innere Beziehung halten und geben, was gebraucht wird?”
Die Bezugsperson bist in dem Fall also Du! Es ist an Dir, jetzt auf der inneren Ebene zu entscheiden, wie Du diesem inneren Aspekt begegnen & ihm dadurch genau das geben kannst, was damals nicht vorhanden war, aber so dringend gebraucht wurde.
Dieser zweite Schritt schließt sich dem ersten unmittelbar an. Folge Deinem Erleben in die traumatische Situation & stelle bereit, was gebraucht worden wäre & re-visualisiere, wie Du es Dir zukommen lässt.
Beim ersten & zweiten Schritt der Integration sollten aufkommende Gedanken, die das Außen einzubeziehen versuchen, vorbeiziehen dürfen. Denn: Die innere Ebene bedarf des Schutzes. Hier ist der Kokon, in dem Bedingungslosigkeit gilt.
Auf der äußeren Ebene finden wir Bedingtheit: Anforderungen, Menschen mit eigenen Geschichten & Prägungen, Erwartungen, Rollen, die wir zu erfüllen & Beziehungen, die wir zu gestalten haben. Der erste & zweite Schritt gehören in den Raum der Bedingungslosigkeit – die innere Ebene.
Der Aspekt, der sich zeigt hat kein Interesse an Begründungen, Rechtfertigungen oder der Suche nach einem Schuldigen (all das setzt das Erlebte in Beziehung zum Außen). Er möchte nur eins: Von Dir gesehen, gefühlt, angenommen, erkannt & verstanden werden.
Es braucht im zweiten Schritt also Dich als den gesunden Erwachsenen, der in diese innere Beziehung genau das einbringt, was jener Aspekt in der traumaauslösenden Situation benötigt hätte. Jene Worte, die er hätte hören müssen.
Trauma & Re-Integration | Schutz der inneren Ebene
Viele Menschen versuchen, ihr Trauma zu bewältigen, indem sie unmittelbar mit ihren neu erkannten Bedürfnissen an anderen Menschen im Außen herantreten, etwas einfordern oder zu klären versuchen. oft ist dieses nach Außen bringen der inneren Vorgänge viel zu früh. Bildlich gesprochen ist das, wie wenn man ein Neugeborenes schutzlos in die Welt entlässt.
Die Gefahr von Enttäuschungen & erneuter Zurückweisung ist groß, denn unser Umfeld ist nicht in der Lage, diesem Aspekt jene Bedingungslosigkeit entgegenzubringen, die er braucht, um Vertrauen zu fassen & das Gefühl zu haben, voll & ganz da sein zu dürfen.
Die Folge: Erneute Enttäuschung, Verletzung und das Gefühl jenes Aspekts, nicht verstanden & willkommen zu sein. Das wäre eine Form der Re-Traumatisierung. Andere Menschen (vor allem jene, die ggf. an der Index-Situation beteiligt waren) sind in dieser Phase definitiv die falschen Ansprechpartner.
Heilsam & hilfreich: Ein hochempathischer, professioneller & ausgebildeter Begleiter kann Dich begleiten. Das wäre eine zusätzliche Validierung jenes Aspekts durch eine außenstehende Person. Ein Zeuge für das Trauma. Doch es ist wirklich wichtig, dass Du dieser Person vertraust & sie eine Qualifikation & die persönlichen Eigenschaften besitzt, um Dich hier gut begleiten zu können.
Sie kann Dir auch helfen, Deinen gesunden, inneren Erwachsenen zu stärken.
Eben darum ist es wichtig, den ersten & zweiten Schritt auf der inneren Ebene zu vollziehen. Die innere Ebene ist der geschützte Raum, in dem erst einmal nur Geborgenheit und Annahme wichtig sind.
Es ist nicht an der Zeit, diesen Aspekt mit anderen (erwachsenen) Menschen in Beziehung zu setzen, die dann mit ihren eigenen Bedürfnissen, Prägungen, Anforderungen & Vorstellungen Raum einnehmen wollen.
Es ist auch nicht die Zeit, um weitere “Fässer” zu öffnen, damit verwandte Themen und Ereignisse zu zerpflücken. All das käme einer Überforderung gleich, die dem den Raum nimmt, was Dein Aspekt in dem Moment braucht.
Die Zeit für das Außen kommt. Doch zuvor darf eine schrittweise Integration auf der inneren Ebene erfolgen. Erst wenn wir das Gefühl haben, als Erwachsene im Außen für diesen inneren Aspekt sprechen, ihn vertreten, das Trauma halten zu können, sollten wir den Schritt nach außen gehen. Erst dann kann sich das “Verwundete” von uns verstanden und vertreten fühlen. Und genau darum geht es.
Die Schritte 1. und 2. sind ein schützenswerter & heiliger, intimer Akt, der nicht für andere bestimmt ist. Die vollständige Validierung können wir nur hier ins Erleben holen.
Trauma & Re-Integration | Dritter Schritt - Äußere Ebene
Beim dritten Schritt hat sich die innere Beziehung stabilisiert, der innere Aspekt ist wieder bei uns & zur Ruhe gekommen. Wir fühlen uns bereit, auch die Individualität und Umstände anderer in Betracht zu ziehen, weil sich der innere Aspekt durch uns bestärkt und angenommen fühlt.
Dies ist aber erst dann möglich, wenn die INNEREN Schritte (erster und zweiter) vollzogen sind und sich die Wogen im inneren Universum durch die eigene Annahme geglättet haben.
Beim dritten Schritt setzt der Erwachsene (nicht der innere Aspekt) das Erlebte in Beziehung zum Außen. Indem er das, was durch das Trauma nicht ausgedrückt, nicht gelebt werden konnte zart und vorsichtig ins Außen transportiert. Immer so, dass der innere Aspekt sich vertreten, gesehen, aber auch (vor Zurückweisung) geschützt fühlt. Wichtig: Die innere Beziehung muss stehen.
Im dritten Schritt findet also eine Öffnung statt. Der dritte Schritt entspricht einer Schleuse: Hier steht jener Erwachsene, der auch bisher im Außen gut zurecht kam & weiß, dass Erwartungen enttäuscht werden können, andere Menschen mit Unverständnis reagieren können & Frustration möglich ist. Dafür übernimmt der Erwachsene die Verantwortung.
Es kann sein, dass der Erwachsene hier auch erst eine Sprache, Sätze finden muss. Der Erwachsene übersetzt und vermittelt die Bedürfnisse dieses Aspekts, indem er selbst dafür Verantwortung übernimmt (wie Eltern es für ihre Kinder tun).
Der Erwachsene erklärt dem inneren Aspekt auch, dass andere Menschen im Außen ihn nicht immer verstehen, dass er aber innen drin immer verstanden wird & seine Daseinsberechtigung hat. Der Erwachsene kümmert sich dann darum, im Außen solche Bedingungen zu schaffen, dass der innere Aspekt sich wahrgenommen & wohl fühlt. Aber: Entkoppelt von Erwartungen!
Wenn andere Menschen dann sehen & verstehen, ist das wunderschön & doch es kann nicht erwartet werden.
Trauma & Re-Integration | Daumenregel - Mitteilen oder nicht?
Eine Daumenregel lautet hier:
Wenn wir den Impuls verspüren, etwas nach Außen zu bringen, sollte das immer nur dann geschehen, wenn wir es für uns tun wollen. Wenn etwas gesagt werden möchte. Und zwar unabhängig von der Erwartung eines Ergebnisses.
Das kann geprüft werden, indem wir uns den best und den worst case vorstellen und uns dann fragen:
“Möchte das nun gesagt oder getan werden, auch wenn die gewünschte Reaktion ausbleibt?”
Falls ja – go for it!
Falls nein – bei Dir behalten (Schutz des Aspekts)!
Im ersten Falls sprechen wir – vielleicht das erste Mal – für uns selbst und stehen für uns ein. Dadurch kann sich der innere Aspekt ins Außen gebracht, gelebt, verstanden, vertreten und abgeholt fühlen. Dies kann wie eine Korrektur des damals Erlebten wirken und eine neue, ersehnte Erfahrung bringen.
Im zweiten Fall will sich der Aspekt mit einer bestimmten Erwartungshaltung direkt an einen Menschen wenden, von dem wir nicht wissen, ob nicht eine erneute Enttäuschung & damit Verstärkung der ursprünglichen Gefühle erlebt. Re-Traumatisierung. Der innere Aspekt sollte also den Erwachsenen nicht überspringen! Der Erwachsene entscheidet.
Lausche hier also unbedingt nach innen. Das Außen beinhaltet, als Welt in der wir leben: Anforderungen, Bedürfnisse anderer Menschen, deren Sichtweisen, Eigenarten usw. Darüber müssen wir uns als verantwortungsbewusste Erwachsene für unsere inneren Aspekte bewusst & dafür bereit sein.
Wenn sich etwas in uns zeigt, dürfen wir erst die innere Beziehung aufbauen und in eine “sichere Bindung” überführen. Wenn es dem Erwachsenen gelingt, den inneren Raum zu halten, Klarheit über die Bedürfnisse zu erlangen & die richtigen Worte zu finden, kann das Innere mit dem Außen in Beziehung gesetzt werden.
Folgender Beitrag könnte für all jene interessant sein, die mit der spirituellen Ebene vertraut sind…
Trauma & Re-Integration | Geduld, Verständnis & Annahme
Wenn sich etwas Drängendes in uns zum ersten Mal seit langer Zeit bemerkbar macht, kann das überwältigend sein. Es braucht viel Geduld & Annahme, denn wir wollen oft direkt lospreschen & Dinge verändern.
Dabei geschehen die wichtigsten Veränderungen innen. Denn hier bildet sich eine neue Basis für eine innere Beziehung, die dann unser gesamtes Sein & unseren Selbstausdruck verändern kann. Von innen nach außen. Genau in dieser Reihenfolge.
In diesem Beitrag ging es mir darum, diese Reihenfolge fass- und verstehbar zu machen. All diese Prozesse sind enorm intensiv und können oft mit einem langen Nachhall in uns wirken. Es braucht offene Ohren nach innen & die Fürsorge in Form eines bedingungslosen “Ja”, zu dem, was erlebt wird.
Das sind oft auch Aspekte und Bestandteile, die wir selbst über die Jahre oder Jahrzehnte nach einer Index-Situation für das Trauma unter dem Deckel gehalten haben. Wir wurden also unbewusst zu einem Selbst-Unterdrücker. Die Aufrechterhaltung der inneren Trennung nach einem Trauma kann der inneren Selbst-Vergebung bedürfen. Der Heilung & des Vertrauensaufbaus. Die Aspekte in uns möchten sich auf uns als Erwachsene verlassen können: Dass wir sie in uns zulassen. Über alle Denkverbote, Ideale und gesetzten Standards hinweg.
Und dabei geht es nicht darum, etwas voll und ungebremst auszuleben (äußere Ebene), sondern erst einmal das Erleben selbst zuzulassen. Bedingungslos. Mittels der Schleuse und des Erwachsenen wird das Bedingungslose im Innen in ein Statement für die Welt der Bedingtheit (Außen) übersetzt.
Deine liebevolle Annahme, Geduld & Verständnis sind jener Balsam, der die Wunde (das Trauma) zu heilen vermögen. Ganz zart, behutsam und Schritt für Schritt.
Alles Liebe von Herzen,
Kristina
Einladung
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